Wo man als Fußballfan derzeit auch hinschaut, überall locken Gewinne. Sportwettenanbieter schicken sich an, den deutschen Sportmarkt, speziell im Fußball, zu erobern. Dies gelingt, weil teils attraktive Gewinne versprochen werden, teils aber auch, weil sich die Rechtslage in Deutschland in den letzten Jahren merklich gebessert hat. Eine länderübergreifende Regulierung fehlt aber weiterhin. Dabei gibt es allen Bedenken zum Trotz durchaus auch Chancen für den Sport.
Schöneres kann sich der deutsche Fußballfan eigentlich doch gar nicht vorstellen: Am Wochenende wird Bundesliga geschaut und gleich doppelt mitgefiebert; zum einen natürlich für das eigene Team, zum anderen aber auch aufgrund persönlicher Anreize. Denn mittlerweile zählen Sport- bzw. Fußballwetten am Wochenende ganz selbstverständlich zum wöchentlichen Ritus vor dem TV oder auch im Stadion dazu.
Doch wen wundert dies? Teils locken Sportwettenanbieter selbst die sparsamsten und risikoscheuesten Fans mit attraktiven Quoten, Gewinnen und insbesondere Bonusaktionen. 50-Prozent-Boni mit Einzahlungszuwendungen bis zu 300 Euro werden auf einschlägigen Portalen potentiellen Neukunden versprochen – ein Narr, wer da nicht mitmacht, denkt sich wohl der eine oder andere Fan.
Dabei gehören Wettanbieter noch nicht lange so selbstverständlich zu Deutschlands beliebtestem Ballsport, wie man heutzutage annehmen könnte. Lange Zeit beanspruchte nämlich der deutsche Fiskus alle Sportwettenerträge in Deutschland über den staatlichen Wettanbieter Oddset für sich. Doch seitdem EU-Recht auch für das nationale Recht in vielen Teilen Gültigkeit besitzt und der europäische Binnenmarkt seine Pforten öffnete, ist es für viele private Sportwettenanbieter mittlerweile ein Leichtes, die oftmals besseren Angebote über das Internet auch in deutsche Landen zu bringen.
Dies könnte man zumindest meinen. Denn auch wenn viele Fans wie auch die Profi-Fußballmannschaften und gar der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Sportwettenanbietern mittlerweile wohlwollend gegenüberstehen, verschränkt der deutsche Staat privaten Sportwettenanbietern weiterhin den gesetzeskonformen Zugang zum Wettmarkt – dabei könnten viele Teilnehmer profitieren.
Unklare Rechtslage in Deutschland: Schleswig-Holstein beharrt auf Sonderweg
Mit schuld an der derzeit für fast alle Marktteilnehmer unklaren Rechtslage ist Deutschlands nördlichstes Bundesland. Zwar trafen sich erst kürzlich die Minister der deutschen Bundesländer, um eine einheitliche Regelung für eine allumfassende Glücksspielregulierung zu treffen, die neben Spielhallen eben auch das Online-Glücksspiel bei Sportwettenanbietern betroffen hätte, Schleswig-Holstein hatte der Gesetzesnovelle aber nicht zugestimmt und folgte damit der eigenen Tradition. Denn es hatte bereits vor fünf Jahren einen Sonderweg bei Online-Sportwetten eingeschlagen.
Kurze Chronik der Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarktes
• 2006: Bis dato betreibt der Staat über den staatlichen Wettanbieter Oddset ein Glücksspielmonopol in Deutschland. Der Europäische Gerichtshof kippt das Monopol jedoch im März 2006 und fordert die Öffnung des Marktes für private Anbieter.
• 2011/12: Endlich ist es soweit und die Länder – mit Ausnahme von Schleswig-Holstein – unterzeichnen den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag. Damit jedoch auch private Wettanbieter in Deutschland agieren dürfen, benötigen sie Konzessionen der einzelnen Länder.
• 2016/17: Ein Rechtsstreit zieht sich über Jahre hin, weil viele private Sportwettenanbieter sich bei der Ausgabe der Konzessionen übergangen fühlen. Insgesamt werden nämlich lediglich 20 Konzessionen – den Wettanbietern zufolge willkürlich – ausgegeben. Laut Gerichtsbeschluss ist dieses Vorgehen rechtswidrig. Von einer Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes ist das Land weit entfernt.
Und nun also das erneute Aus für die Glücksspielnovelle. Private Sportwettenanbieter agieren demnach weiterhin in einer Grauzone. Nichtsdestotrotz sind Wettanbieter de facto in allen Medien zu finden – und prangen gar auf den Trikotsätzen einiger Bundesliga-Vereine.
Fakt ist nämlich, dass sich die Anbieter nur theoretisch in einem illegalen Bereich bewegen. Davon zeugt beispielsweise die fünfprozentige Wettsteuer, die alle seriösen Wettanbieter an den Fiskus abführen müssen und auf die der Staat selbstverständlich nicht verzichten möchte. Immerhin werden in Deutschland jährlich über 6 Mrd. Euro umgesetzt.
Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und wichtige Gelder für Bundesliga in Gefahr
Verantwortliche aus Wirtschaft und Sport können das Gebaren einiger Politiker indes nicht verstehen und sprechen gar von „mangelndem Realitätssinn“, wie Daniel Henzgen von einem deutschen Hersteller für Gewinnspielgeräte meint. Er sagt weiter: „Das Verbot exportiert Steuereinnahmen und Arbeitsplätze von Deutschland ins Ausland.“
Etwas fragwürdig erscheint das Unvermögen der Politik hinsichtlich der Glücksspielregulierung auch deswegen, weil Sportwetten und Glücksspiel längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, sozusagen salonfähig wurden. Über 200.000 Menschen in Deutschland geben einer Umfrage der Verbrauchs- und Medienanalyse VuMA an, mindestens einmal wöchentlich an Sportwetten teilzunehmen.
Zudem scheint selbst der DFB Sportwettenanbieter mittlerweile mit offenen Armen zu empfangen. Laut einem Bericht der BILD will der in Deutschland erfolgreichste Sportwettenanbieter, Tipico, den Deutschen Fußball-Bund überzeugen, den Wettanbieter als Premium-Sponsor für die nächste Bundesliga-Saison zu gewinnen. Angesichts von 7,5 Mio. Euro, die Tipico jährlich an den DFB zahlen möchte, erscheint es verständlich, dass man bei den Funktionsträgern des deutschen Fußballs tatsächlich überlegt, das Angebot anzunehmen. Verglichen mit den 2 Mio. Euro, die es jährlich vom staatlichen Wettanbieter Oddset gibt, erscheint das Angebot von Tipico wie eine Offerte, die man einfach nicht ablehnen kann.
Wichtige Einnahmequelle für deutschen Fußball
Und auch die Bundesliga-Vereine können das Geld gut gebrauchen. Verglichen mit anderen Ligen hinkt das deutsche Fußball-Oberhaus nämlich weit hinterher, was finanzielle Zuwendungen von Sportwettenanbietern oder auch TV-Anstalten anbelangt. Verglichen mit England beispielsweise wirken die Einnahmen deutscher Klubs fast marginal, zumal sich die englische Premier League nun auch noch China-Millionen einverleiben möchte.
Bereits aktuell erhält beispielsweise der deutsche Rekordmeister Bayern München weniger Gelder aus den TV-Einnahmen der Bundesliga als der Absteiger aus der ersten englischen Liga. Durch den neuen englischen TV-Deal sind jedem Verein mindestens 90,5 Mio. Euro pro Saison garantiert. Plus weitere Werbeeinnahmen steigt der Betrag bei allen Vereinen aus England auf mehr als die 99 Mio. Euro, die der FC Bayern im letzten Jahr von der DFL erhielt.
Angesichts solcher Zahlen kann den deutschen Vereinen eigentlich nur jedes Mittel recht sein, um an weitere Gelder zu gelangen. Andernfalls dürften die großen Stars bald nicht mehr in der Bundesliga zu finden sein und Ergebnisse wie das 3:0 in der Champions League von PSG gegen überforderte Bayern werden bald zur Gewohnheit. Dies dürfte viele deutsche Fußballfans nicht freuen – auch mit Gewinnen bei Online-Wetten.