Die Fußball-Fankultur in Deutschland

DFB Konrad Koch war der Erfinder des Fußballs in Deutschland. Der Lehrer führte den Sport im Jahr 1874 in Deutschland ein und gab die ersten Spielregeln vor. 20 Jahre später entstand der erste Verein. Zunächst hatte das Spiel noch ein schlechtes Image. Fußball wurde nicht umsonst „die englische Krankheit“ genannt. Doch das sollte sich nach dem Ersten Weltkrieg ändern. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich der Fußball zum Massensport, der Zuschauerboom begann. Was man heute als eine bis ins letzte Detail entwickelte Fankultur kennt, entwickelte sich über die Jahrzehnte hin, Schritt für Schritt. Doch es gibt Grenzen für die Liebe zum eigenen Verein. Diese sind dann erreicht, wenn die großen internationalen Turniere den Zusammenhalt aller Fußballfreunde für Deutschland erfordern.

In nicht einmal einem Jahr sind die Fans des deutschen Fußballs wieder gefordert zusammenzustehen. Dann muss der eigene Klub warten, denn die Fußball-Europameisterschaft steht auf dem Programm. Beim letzten Großereignis, der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, hatte die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft für einen weiteren unvergesslichen Moment in der langen Geschichte des Turniers gesorgt. Während man sich in der Vergangenheit in Spanien mithilfe einer stillen Vereinbarung mit der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft noch in die nächste Runde gerettet, so schied das Team von Joachim Löw zuletzt schon in der Vorrunde blamabel aus. Nun geht es für die neu aufgebaute Mannschaft darum, den guten Ruf des deutschen Fußballs wiederherzustellen. Da kommt die Fußball-Europameisterschaft gerade recht. Diese wird erstmals in zahlreichen Stadien am ganzen Kontinent stattfinden. Damit können Fans aus vielen Ländern direkt in ihrer Heimat an diesem Großereignis teilhaben.

In der Freizeit ging es auf den Fußballplatz

Dies war nicht immer selbstverständlich. Erst nach der Einführung der Acht-Stunden-Woche in Deutschland hatten die Menschen mehr Freizeit. Diese widmeten die Arbeiter verstärkt dem Fußball. Mit der Einführung der Deutschen Fußball-Bundesliga im Jahr 1963 und vor allem mit der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland ändert sich dies schlagartig. Immer mehr junge Menschen fanden am Fußball Gefallen. Schnell bildete sich so etwas, wie das, was man heute als Fankultur kennt. Die Zuschauer begannen ihre Helden mit Schlachtgesängen und rhythmischen Klatschen anzufeuern. Die härtesten Fans begannen sich zu organisieren und auch optisch zu ihrem Verein zu bekennen. Dies begann ursprünglich mit den „Kutten“ und fand in einem schier unüberschaubaren Angebot an Merchandising-Artikeln ihren aktuellen Höhepunkt.

Die Ultras leben für den Verein

Für die sogenannten Ultras steht ihr Verein im Mittelpunkt ihres Lebens. Diese Bewegung entstand ursprünglich in Italien und schwappte Mitte der 1990er-Jahre nach Deutschland über. In Italien besteht sie mittlerweile seit rund 50 Jahren. Ihren Anfang nahm sie 1968 in Mailand. Bei den Ultras steht das Fußballspiel und der eigene Verein im Mittelpunkt aller Bemühungen. Sie möchten ihren Verein im Spiel 90 Minuten lang durchgehend mit aller Kraft unterstützen. Das zeigt sich in koordinierten Anfeuerungsrufen und Gesangseinlagen. Dabei sehen sich die Fangruppen allerdings den unterschiedlichsten Anforderungen gegenüber.

Vom Seriensieger zum Underdog

Der FC Bayern München ist nicht nur deutscher Serienmeister, sondern auch der größte und weltweit beliebteste Verein des Landes. Hier geht es für die Fans vor allem um die Frage, wie viele Titel ihre Lieblingsmannschaft in der aktuellen Saison abräumen wird. Der „FC Hollywood“ wird gerne als Verein mit einem Operettenpublikum und Mainstream-Zuschauern beschreiben. Doch damit tut man dem Klub Unrecht. Die Fans in München sind gut vernetzt und besonders fanatisch. Doch die teilweise hohen Preise im Stadion sorgen automatisch dafür, dass die Spiele von zahlreichen Besserverdienern besucht wird. Das hat den FC Bayern München auch zu einem finanziell potenten Großverein heranwachsen lassen.

Ganz anders sieht es da schon bei Borussia Dortmund aus. Dessen Fans gelten als besonders loyal und krisensicher. Sie sehen sich selbst als aufrichtiger und bilden gemeinsam die gefürchtete „gelbe Wand“. Die Südtribüne des über 82.000 Zuschauer fassenden BVB-Stadions ist tatsächlich nichts für schwache Nerven. Hier sind schon Weltklasse-Teams gnadenlos untergegangen. Natürlich ist Borussia Dortmund längst ein finanzkräftiges Unternehmen, das in der absoluten Top-Liga mitspielt. Dafür sorgen auch die regelmäßigen Zuschauerrekorde von bis zu 1,4 Millionen Zuschauern pro Saison.

In einer ganz anderen Liga spielt da der FC St. Pauli. Die Underdogs aus dem Norden Deutschlands sind für viele der Fußballverein der Herzen. Er gilt auch als soziales Gewissen des deutschen Fußballs. Seine Anhänger sehen ihn als Schutzpatron des einzig wahren Spiels. Der FC St. Pauli lief in der Saison 2018/19 in den Regenbogenfarben auf, um ein Zeichen zu setzen. Er engagiert sich gegen Rassismus und betreut ein globales Trinkwasser-Projekt. Als der Verein vor Jahren in finanzielle Schwierigkeiten geriet, organisierte selbst der damals allmächtige FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß rasch Hilfe.

Die drei Beispiele beweisen, dass die Fußballkultur in Deutschland so vielfältig und bunt ist, wie das Spiel selbst. Je nach Erfolg und Mentalität findet jeder Klub jene Fans, die ihn bedingungslos unterstützen. So konnte die Deutsche Fußball-Bundesliga immer weiter wachsen und wurde für zahlreiche Fans aus dem Ausland zu ihrem bevorzugten Fußball-Sehnsuchtsort. Die Kommerzialisierung des Fußballs ist auch in Deutschland nicht wegzuleugnen. Doch sie hat gleichzeitig das Spiel auf ein internationales Niveau gehoben, das sich vor keinem anderen Land mehr verstecken braucht.

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