Der deutsche Fußball hat derzeit mit einigem zu kämpfen: Die WM-Niederlage ist noch immer nicht verdaut (wird sie das jemals sein?), der FC Bayern München schwächelt so sehr wie schon lange nicht mehr und in der Tabelle ist nichts mehr, wie es früher war; Stichwort: Die ersten werden die letzten sein. Doch diese Nachricht dürfte nun sogar die Hoffnungsvollsten erschüttern. Einer Umfrage zufolge haben Fans zur Zeit mehr Bock darauf, FIFA 19 zu zocken, als sich ins Stadion zu begeben und einem Match live und in Farbe beizuwohnen. Skandalös! Aber irgendwo auch begründet. Dieser Artikel klärt auf.
Zu teuer oder zu langweilig
Schön und gut, die Umfrage wurde im Vereinigten Königreich durchgeführt und nicht hierzulande. Dennoch zeichnet sich darin ein europaweiter Trend ab, der wohl auch dafür verantwortlich ist, dass Matches mancherorts mit verringerten Zuschauerzahlen zu rechnen haben. Der Stadionbesuch schneidet schon mal deswegen schlechter ab als die gemütliche Zockerrunde, weil man dafür wesentlich mehr hinblättern muss. Der FCB verlangt bis zu 70 Euro von Fans, die ihre Helden live auf dem Rasen erleben wollen – und da ist die Bratwurst noch nicht mal inbegriffen. Was die Übertragung im Fernsehen angeht, ist sie den Fans wohl einfach zu passiv; lieber probiert man sich selbst als virtueller Stürmer aus, anstatt kleinen Männchen beim Jagen über den Bildschirm zuzusehen.
Störfaktoren ausgeliefert
Selbst wenn der Wille groß ist, sich bei einem Live-Match königlich zu amüsieren, so ist das in der Realität oft gar nicht so einfach. Zum einen gehen Teams eben in Sommer- oder Winterpause und dann kann man Manuel Neuer und Co. höchstens in seinen Träu-men kicken sehen. Zum anderen geht es beim Fußball längst nicht mehr nur um das Spiel. Darum herum ist ein riesiger Medienzirkus erwachsen, der von sportlicher (oder eben unsportlicher) Politik begleitet wird – wer bekommt welchen Spieler, wer verhält sich wie im Verein, wie stehen die Vereine zueinander und so weiter und so fort. Lesen Sie mehr über den deutschen Fußball, wenn sie diesbezüglich auf dem Laufenden bleiben wollen. Es kann lohnenswert sein; aber eben auch anstrengend. Viele Fans enttäuscht es, wie sehr damit vom eigentlichen Spiel abgelenkt wird.
Klatschpresse freut sich
Während die Fans der Trubel eher frustriert, freut sich die Klatschpresse: Denn je mehr „Politics“ und Ausreißer es gibt, desto mehr Auflagen kann sie verkaufen. So ließ sie sich bereits über Özils Treffen mit dem umstrittenen Präsidenten Erdogan aus und feiert nun die Stars in der Winterpause, die derzeit heiße Tage und Nächte in Doha oder an sonsti-gen sonnigen Zielen erleben. Dazu gehören auch Yann Sommer, Robert Lewandowski und Manuel Götze – sie haben außerdem gleich ihre Grazien mitgenommen, um neben dem Warmwettertraining die kalten Tage in der Wüste abzufeiern. Zeit genug haben sie dazu: Erst Ende Januar geht es für die Spieler wieder los, wenn die Erholungspause für sie endet. Doha scheint jedenfalls den türkischen Urlaubsort Belek abgelöst zu haben, der aufgrund der politischen Unruhen nicht mehr so attraktiv ist wie zuvor.
Vorteile in der virtuellen Welt
Doch was macht nun genau die Faszination des computergesteuerten Fußballs aus? Ein Vorteil besteht zumindest darin, dass man auch andere Teams besser kennenlernt – und vielleicht aus anderen Gründen Fan einer Mannschaft wird, als dass sie eben das stärkste Team im näheren Umkreis ist. Interessant ist sicher auch die Tatsache, dass FIFA zu den beliebtesten E-Sports-Spielen gehört und damit möglicherweise sogar den Anfang einer Karriere darstellt. Doch auch hierin verbirgt sich das größte Problem dieser Begeisterung fürs virtuelle Kicken: Auf den Bolzplatz wagen sich immer weniger Jugendliche. Es wird nicht nur weniger beim Fußball zugeschaut, es wird auch weniger selbst gekickt. Mal abgesehen davon, dass virtueller Sport keine echte körperliche Betätigung ersetzt, gehen den Ligen somit früher oder später die Nachwuchstalente aus – keine Frage also, dass eine intensivere Beschäftigung mit dem Fußball im echten Leben wieder stärker gefördert werden muss.