Seit etwas mehr als einer Woche läuft auch beim BVB die Vorbereitung auf die neue Saison. Und auch wenn noch längst nicht alle Leistungsträger zurück im Training sind, immerhin standen einige internationale Turniere im Sommer auf dem Programm, geht es für die Verbliebenen nun darum, sich gewissenhaft auf die neue Saison vorzubereiten. Denn es scheint ein kleiner Paradigmenwechsel beim BVB stattgefunden zu haben. Erstmals seit Jahren gehen die Borussen mit dem Selbstverständnis in die Saison auch Meister werden zu wollen. Doch woher kommt das neue Selbstvertrauen? Auch wenn die BVB-Fans, wie von Hesse und Schnittker in Unser Ganzes Leben näher beschrieben, seit Jahren dem Club treu sind, konnte die Leistung des Dortmunder Teams nicht immer überzeugen. Wir schauen, was sich beim BVB verändert hat und wie realistisch die Zielsetzung der Schwarzgelben ist.
Der zweite Leuchtturm leuchtet
Der FC Bayern ist der vergangenen Saison zum siebten Mal in Folge deutscher Meister geworden. Die Frage, wer dem FCB gefährlich werden kann, muss also weiterhin gestellt werden. Doch im Gegensatz zu den letzten Jahren, war es diesmal eine wirklich knappe Nummer. Erst am allerletzten Spieltag fiel die Entscheidung zugunsten des Rekordmeisters. Zuvor, vor allem in der Hinrunde, sägte die Borussia stark am Thron der Bayern. Doch sogar als die Herbstmeisterschaft feststand, wollte in Dortmund niemand so wirklich von der Schale reden. Dies mag auch mit der Understatement-Politik der vergangenen Jahre zusammenhängen. Immer wieder wurde, wenn es um den großen Vorsprung der Bayern ging, auf die exorbitanten Umsätze und das höhere Kapital des Rekordmeisters verwiesen. Das höchste der Gefühle in Bezug auf die Abteilung Attacke der Borussia war die Aussage Aki Watzkes, dass man sich als „zweiter Leuchtturm“ in der Bundesliga etablieren wolle.
Zum Titelkandidaten gereift?
Das ständige Understatement der BVB-Führung wurde wie ein Mantra wiederholt und selbst die Fans hatten irgendwann genug davon. Natürlich musste die Borussia in den vergangenen Jahren in nahezu jeder Transferperiode einen oder mehrere Leistungsträger abgeben. Entweder weil die ausländischen Vereine mit mehr Gehalt lockten, oder aber weil die Chancen auf einen Titel anderswo höher erschienen. Zwar zog der BVB sechs Saisons lang immer in ein Finale ein, die Pokalausbeute ist allerdings relativ gering. Lediglich der DFB-Pokalerfolg 2017 steht hier in den Büchern. Auch vor der vergangenen Saison predigten Zorc und Watzke, dass der BVB vor einem Umbruch stehe, welcher noch längst nicht abgeschlossen sei und dämpften somit die Erwartungen.
Umbruch schneller gemeistert als geplant?
Tatsächlich stand man vor der Saison mit neuem Trainer und einem nahezu komplett ausgetauschten Kader vor dem „Neuanfang“. Dass dieser allerdings mit solch Bravour gemeistert werden würde, hätten sich wohl die größten Fans zuvor nicht erträumt. Lucien Favre schaffte es, dem Team eine Identität zu verpassen und setzte auf Marco Reus als Kapitän. Der Publikumsliebling ging voran und führte die junge BVB-Elf zur Herbstmeisterschaft. Auch die Neuzugänge wie Witsel, Diallo oder Alcacer fügten sich perfekt ein und waren wichtige Teile der letztjährigen Überraschungsmannschaft. Doch dass der Umbruch noch nicht abgeschlossen ist, zeigen nicht nur die Worte Watzkes vor der vergangenen Saison, sondern auch die Aktivitäten auf dem diesjährigen Transfermarkt.
Voller Einsatz auf dem Transfermarkt
Während die Bayern noch nicht ihre Wunschtransfers realisiert haben, hat der BVB schon zu Beginn der Transferperiode fast alle Neuzugänge in trockenen Tüchern gehabt. Mit den Verpflichtungen von Thorgan Hazard, Julian Brandt und Nico Schulz hat der BVB in Windeseile drei der stärksten Spieler aus der vergangenen Saison in den Ruhrpott gelockt. Der Königstransfer folgte allerdings erst ein paar Tage später. Die Rückholaktion von Mats Hummels kam ebenso überraschend wie sein Wechsel in den Süden vor zwei Jahren. Insgesamt hat der BVB nun schon über 100 Millionen Euro in dieser Transferperiode ausgegeben. Klar, dass man mit diesen Zahlen nicht mehr die übliche Understatement-Politik fahren kann. Auch bei den Fussball Wetten wird der BVB mit einer Quote von 5,00 als aussichtsreichster Kandidat nach den Bayern gehandelt (Stand 11.7.). Damit kann der jahrzehntelange Reviernachbar Schalke 04 mit einer Quote von 251,00 momentan nicht mithalten. Die BVB-Fans dürfen sich jedenfalls auf eine ähnlich spannende Saison wie die letzte freuen.
Mit neuem Selbstverständnis zum Titel?
Marco Reus hat es bereits zum Ausdruck gebracht: In den kommenden zwei bis drei Jahren sollte endlich wieder eine Meisterschaft für den BVB rausspringen und auch bei den Verantwortlichen hat sich das Selbstverständnis gewandelt. So deutlich wie sich Aki Watzke vor ein paar Wochen in der SportBILD gab, hat man den Westfalen lange nicht gehört. „Wir wollen Meister werden“ hieß es da, eine Aussage, die man in dieser Deutlichkeit nicht einmal dann tätigte, als man Anfang des Jahres sieben Punkte vor den Bayern lag. Der Zeitpunkt scheint jedenfalls perfekt. Die Bayern befinden sich weiter im Umbruch, suchen noch nach geeigneten Flügelspielern und der BVB hat sich im Vergleich zur Vorsaison entscheidend verstärkt und musste keinen Leistungsträger ziehen lassen.
Sollte der BVB tatsächlich Meister werden, dürften sich die deutsche Fankurve, auf welche Thien in Fußball, deine Fans näher eingeht, freuen. Auch auf dem Borsigplatz könnten dann bei der Meisterfeier ein paar Rekorde gebrochen werden.